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Spontane Komposition


Wie die Sprache stehen auch die Rhythmen, Melodien und Harmonien der Musik nicht still, sondern verlaufen in der Zeit und sie folgen ähnlich wie die Sprache gewissen Mustern, sodass ein Hörer, der mit ihnen vertraut ist, in der Musik Struktur und damit Sinn erkennen kann.1) Die Jazz-Improvisation ist besonders eng mit der Sprache verbunden, und zwar schon dadurch, dass sie anscheinend dieselbe menschliche Fähigkeit nutzt wie das freie, spontane Sprechen, bei dem Vokabeln, Phrasen, Satzkonstruktionen und grammatischen Regeln automatisch gehandhabt werden, während die Gedanken überwiegend darauf gerichtet sind, was man sagen möchte. Bei einem guten Gespräch können Worte und Wendungen besonders leicht aus einem herausfließen und auch Ideen, also Teile des Inhalts der Aussagen, überraschend auftauchen. Jazz-Musiker berichteten von vergleichbaren Erfahrungen und sprachen öfters von einem Spielen im „Bewusstseinsstrom“.
Mehr dazu: Flow

Voraussetzung für die spontane musikalische Gestaltung ist die fließende Beherrschung einer Art musikalischen „Sprache“, das heißt ein sicheres Verfügen über Möglichkeiten, „von einem Ton zum nächsten zu gelangen“2), melodische Linien, rhythmische Figuren und Harmonien zu bilden und den Tönen Ausdruck zu verleihen. Die persönliche „Sprache“ eines Musikers muss einer Art Syntax haben, die ein improvisiertes Zusammenspiel der Band ermöglicht sowie eine einheitliche Gesamtwirkung ihrer Musik gewährleistet. Steve Coleman erklärte, er und seine Bandmitglieder würden rhythmischen, harmonischen und melodischen Pfaden folgen, die bereits angelegt und bewährt sind und viele Wahlmöglichkeiten bieten, in welche Richtung man gehen will. Es sei wie eine Sprache. Man verwende schon oft benutzte Worte und Phrasen, aber man sage mit ihnen etwas, das man noch nie, zumindest nicht in genau derselben Weise, gesagt hat. Was man sagt, hänge von den momentanen Gefühlen und den Gedanken ab, die auftauchen. So treffe man spontane Entscheidungen, aber auf der Basis von Vorbereitung. Bei dieser Art zu spielen könne man sich selbst überraschen, obwohl einem das Material vertraut ist. Er übe, Dinge hervorzubringen, die er noch nie gespielt hat, und mache das auch im Konzert. Er riskiere also in seinem Spiel etwas. Das mache er laufend und nach einiger Zeit werde es einem zur zweiten Natur.3)

Die musikalische Sprache der verschiedenen Musiker und Bands kann so unterschiedlich sein wie das Sprechen, das ein breites Spektrum umfasst, von urwüchsigen Lautäußerungen bis zu komplexen Satzkonstruktionen mit reichem Vokabular, von langsamem, bedachtsamem Wählen jedes einzelnen Wortes bis zu einem überschäumenden Redefluss, von nichtssagendem Gerede bis zu tief berührenden und erhebenden Aussagen, von langen, ausführlichen bis zu kurzen, prägnanten Schilderungen, von sperrigen, akademischen Konstruktionen bis zu ansprechender Lebendigkeit, von poetischem Stil bis zu kargem Gestammel und so weiter. – So kann auch eine Improvisation auf einer relativ einfachen „Sprache“ beruhen und zum Beispiel Klangfarben in den Vordergrund stellen, etwa die eindringlichen, stimmähnlichen Laute eines schmachtenden oder schreienden Saxofons. Möchte ein Improvisator seine Töne möglichst bewusst wählen, dann wird sein Spiel sparsam und bedächtig verlaufen.4) Will er die Raffinesse und Dichte der großen Meister erreichen, so muss er eine komplexe „Sprache“ mit großem „Vokabular“ und anspruchsvoller „Grammatik“ traumwandlerisch beherrschen.

 

Internalisierung und Freiheit

Meisterimprovisatoren haben nach Steve Colemans Beschreibung wie versierte Kampfsportler5) die „verschiedenen Pfade der Möglichkeiten studiert, ausgearbeitet, analysiert und verinnerlicht, sodass der Geist und der Körper schließlich darin trainiert sind, auf die dynamischen Konfigurationen, die sich in der Realität ergeben, reflexartig zu antworten. Die Kunstfertigkeit zeigt sich, wenn sich die Muster unerwartet verändern und ein anderer Fluss aufgebaut wird. Der [Improvisator6)] muss dann den Wechsel timen und die Antwortmuster mitten im Flug anpassen. Natürlich wird ohne intensive Einsicht, Erforschung und Training nichts davon zustande kommen und das grundlegende Erkennen dieser Dynamiken ist entscheidend für das Wissen, wie man sich vorbereitet und trainiert.“7)

Wenn Musiker ihre musikalische Sprache reflexhaft beherrschen, sind sie frei, sich auf andere Aspekte zu konzentrieren oder die Improvisation einfach fließen zu lassen8). Steve Coleman schrieb: „Bei Musikern wie [Charlie] Parker und [Max] Roach ist alles auf einer Reflex-Ebene internalisiert. Da diese Musik ein sich rasant bewegender Sound ist, der einigermaßen spontan geschaffen wird, glaube ich, dass die vordergründige mentale Aktivität hauptsächlich auf der semantischen9) Ebene des Verstandes abläuft, während die internalisierten, vereinbarten syntaktischen10) musikalischen Formationen von anderen, mehr automatisierten Prozessen gehandhabt werden.“11) Zu seiner eigenen Spielweise erklärte Coleman: Er verwende Zurechtgelegtes erst, wenn er es internalisiert hat, sodass er sich auch ohne Nachdenken in entsprechender Weise musikalisch bewegen kann. Dafür sei langes, intensives Training erforderlich. Musiker wie Sonny Stitt, Sonny Rollins und all die anderen hätten es genauso gemacht. Beim Improvisieren habe er dann lediglich einen groben, flexiblen Plan, während sein Körper den Rest erledige. Alles, was er jemals ausarbeitete, fließe spontan ein und er füge einfach Ebene um Ebene hinzu. Die lange, intensive Internalisierung bringe es mit sich, dass die sich ergebenden Melodien für ihn natürlich klingen.12)

 

Eigene Sprache, eigene Geschichte

Steve Coleman sagte: „Es liegt eine bestimmte Art von Rhythmus in der Art, wie ich spreche. Darum erkennen mich meine Freunde sofort, wenn ich anrufe – an meinem Ton, meinem Rhythmus, an bestimmten Phrasen, die ich immer verwende. Genauso erkenne ich Charlie Parkers Spiel. Auf die gleiche Weise. Und genauso denke ich über Phrasen und die Art und Weise, wie sie sich aufeinander beziehen.“13) Die Entwicklung einer eigenen Spielweise, die den Improvisationen der Solisten einen persönlichen Charakter verleiht und sie dadurch für Kenner identifizierbar macht, hat in der Jazz-Tradition seit jeher einen hohen Stellenwert. Im afro-amerikanischen Viertel South-Side von Chicago, in dem Steve Coleman aufwuchs, forderten ältere Meister junge Musiker auf: „Finde deinen eigenen Sound!“, „Finde heraus, was du sagen willst!“, „Was ist deine Geschichte?“. Coleman erzählte: Da die Meister alle „ziemlich einzigartig klangen, interpretierte ich das so, dass ich musikalisch meinen eigenen Weg finden muss, um das zu sagen, was ich sagen möchte. In anderen Worten: Ich muss meine eigene musikalische Sprache finden, um meine Geschichte in meiner eigenen Art zu erzählen. So begann die Suche, noch bevor ich irgendetwas auch nur halbwegs gut spielen konnte. Das bedeutete, dass ich die Grundlagen der Musik lernte und gleichzeitig herausfand, was ich sagen möchte und wie ich es sagen möchte, indem ich Musik als meine Sprache verwende.“14) Wie angehende Musiker zu einer eigenen „Sprache“ finden können und was mit dem bildhaften Ausdruck des Geschichtenerzählens gemeint ist, erklärten die Meister nicht15), denn das sollten die Jungen offenbar durch eine tiefgehende Auseinandersetzung mit musikalischen Möglichkeiten16), dem Wesen der Musikkultur sowie mit dem eigenen Anliegen, einen Beitrag zu leisten, selbst herausfinden.

Bereits in früheren Zeiten ahmten jedoch viele Musiker lediglich ihre Vorbilder nach und in neuerer Zeit ersetzt der weit verbreitete institutionalisierte Jazz-Unterricht häufig ein tiefgehendes Erforschen, Selbsterfahren und eigenständiges Entwickeln.17) Die Mehrheit der Musiker gelangt kaum darüber hinaus, Spielweisen von Vorgängern wiederzugeben, zum Beispiel eine als Bebop verstandene Sammlung von Phrasen Parkers und anderer Musiker der damaligen Zeit oder eine Mischung verschiedener Stile der Vergangenheit. Ihre unzähligen Nachahmungen erschweren es Hörern, die „Geschichten“ der Meister in ihrer Originalität zu erkennen.

 

Inspiration

Steve Coleman wies darauf hin, dass die komplexe musikalische Sprache, die Charlie Parker entwickelte und wie im Schlaf beherrschte, ein ziemlich hohes Basis-Niveau seiner Improvisationen gewährleistete, selbst wenn er in schlechter Verfassung war, was aufgrund seiner Drogensucht häufig vorkam. In einem inspirierten Zustand sei Parker über dieses Niveau dann noch weit hinausgegangen. Auch bei Sonny Stitt beobachte Coleman das.18) – John Coltrane sagte im Jahr 1962 hingegen: Wenn er in einem Solo fühlt, dass er bloß Noten spielt, etwa den Rhythmus nicht fühlt oder nicht in bester Verfassung ist, dann versuche er, die Dinge zu dem Punkt hin zu entwickeln, wo diese Inspiration wieder passiert, wo die Dinge spontan sind, nicht vorgefasst. Wenn dieser Punkt wieder erreicht wird, fühle er, dass es weitergehen kann, dass es wieder lebendig ist. Aber wenn das nicht passiert, dann gebe er einfach auf und scheide aus.19)

Selbst bei so großartigen Improvisatoren wie Coltrane schwankt nun einmal der Grad der Inspiration, obwohl sie beharrlich nach ihr streben. Sonny Rollins erläuterte: „Die spontane Improvisation ist das Wesentliche. Es gibt große Komponisten und Arrangeure im Jazz, doch das spontane Solo auf höchstem Niveau ohne Klischees, das versuche ich zu schaffen, auch wenn ich es nicht immer erreiche. Die Kommunikation läuft unterbewusst und die Musik kann zu etwas ganz Eigenem werden. Das ist der höchste Aspekt des Jazz für mich.“20) – Manchmal gelangen die Meister zu magischen Höhepunkten. Von Freeman berichtete: „Es gibt natürlich Abende, an denen du nach deinem Urteil und nach dem deiner Mitmusiker etwas zustande bringst, was du sonst vielleicht nur alle zwei oder drei Jahre einmal schaffst. […] Auf dieses hohe Niveau kommt man nur sehr selten. Und dann ist es so, als ob es von ganz alleine kommt. Dann hast du gar nicht den Eindruck, dass du ein Instrument spielst. Dann ist es so, als ob jemand anderes auf dir spielt. Vielleicht irgendeine schöpferische Kraft, was auch immer. […] Siehst du, und das versetzt einen immer wieder in Erstaunen. Das hält einen bei der Sache. […] Und wenn man älter wird, dann sieht man, dass die wirkliche Kreativität nur hin und wieder passiert.“21) – Bereits als 10- oder 11-jähriger Zuhörer erlebte Freeman Jazz mit einer spirituellen Dimension, und zwar in einem Friseurladen, in dem er mit Gleichaltrigen abends nach Ladenschluss öfters zwei Musikern zusah, die stundenlang miteinander spielten: „Shorts konnte wirklich Trompete spielen! Curtis saß am Schlagzeug. Sonst spielte keiner mit, nur Schlagzeug und Trompete. […] in diesem Friseurladen war sonst niemand. Shorts saß auf einem dieser Friseurstühle und blies Trompete und Curtis spielte Schlagzeug dazu. Und wir saßen da und hörten zu. […] Das brachte mich dazu, darüber nachzudenken, welch eine unheimliche Sache doch die Musik ist.“ Obwohl Freeman noch ein Kind war, hatte er den Eindruck, dass „die Vibrationen genau richtig waren und dass die Musik unheimlich wahr war. […] Ich kann mich heute an nur sehr wenige Situationen erinnern, bei denen ich so etwas erlebt habe; vielleicht das eine oder andere Mal bei ein paar ganz großen Leuten. Und ich glaube, dass es diese Momente sind, die die Musik so universal und so groß machen.“ Es sei etwas, das „von irgendwoher kommt und irgendwohin geht. Und es macht dich wissend! Es ist so ähnlich, als wenn du Gott gesehen hast.“ Er benutze dafür immer das Wort „Magie“.22)

 

Herausforderung

Im Jazz bildet meistens ein komponierter Teil (ein „Thema“) den Ausgangspunkt, wiederkehrenden Bezugs- und Endpunkt eines Stückes. Die Grundstruktur der Komposition dient in der Regel als Basis der Improvisation und kann aus einer Abfolge von Akkorden, Tonleitern, Orgelpunkten, rhythmischen Figuren oder melodischen Ostinati bestehen. Auf diese Basis müssen die Improvisationen abgestimmt sein, damit sie nicht falsch klingen. Eine einfache Grundstruktur erleichtert den Solisten das Improvisieren, eine komplizierte reizt die Meister, ihre Kunst zu entfalten. So forderten sich Improvisatoren wie Parker, Coltrane und Steve Coleman mit anspruchsvollen Strukturen heraus und bestachen im Umgang mit ihnen durch äußerst gewandtes, kreatives und detailreiches Spiel.23) Diese Kunst beruht nicht nur auf der Entwicklung und Internalisierung einer komplexen musikalischen Sprache, sondern auch auf langem Training in der spontanen kreativen Gestaltung:

 

Spontan und präzise

Steve Coleman erzählte, dass der Pianist Cecil Taylor einmal einen jungen Musiker fragte, was er übe, und der antwortete: die üblichen Dinge, Tonleitern, Arpeggien und so weiter. Taylor fragte ihn daraufhin, ob es das ist, was er dann bei einem Auftritt spielen will. Der junge Musiker verneinte natürlich, worauf ihn Taylor fragte, warum er es dann übe. Coleman sagte, die meisten Studenten würden das für eine tolle Geschichte halten, dann aber weiter wie bisher üben. Es gehe nicht darum, nie Tonleitern, Arpeggien, Patterns und so weiter zu üben. Jeder habe ausgearbeitete Teile in seinem Spiel, doch müsse ein Improvisator zu einem großen Teil das üben, was er dann auf der Bühne zu tun beabsichtigt, nämlich spontan gestalten. Darauf hätten Cecil Taylor, Von Freeman, Joe Henderson und andere hingewiesen und ihr Spiel sei zu einem wesentlich größeren Prozentsatz spontan gewesen als das der meisten Musiker, besonders jener, die heute aus den Jazz-Schulen kommen. Man müsse versuchen, Ideen auf der Stelle zu spielen. Gelingt es einem nicht, die Idee exakt umzusetzen, gehe man nicht zurück, um es zu verbessern und einzuüben, sondern einfach weiter. Etwas immer wieder zu üben, bis es perfekt ist, sei ein anderer Zugang, nämlich der der klassischen europäischen Musik. Übt man hingegen spontanes Spielen lange, so könne man dahin gelangen, dass man nicht mehr nur improvisiert, sondern wirklich spontan komponiert, was allerdings am schwierigsten sei. Der Begriff „Improvisieren“ schließe Zufälligkeit und Unvorbereitet-Sein mit ein, während spontanes Komponieren dem Schreiben von Kompositionen entspreche, nur dass es spontan erfolgt. Von Freeman, Colemans Mentor in jungen Jahren, habe gesagt, es gehe ihm darum, eine Idee im Kopf zu hören, die er nie zuvor gespielt hat, und sie dann genau auf die Weise aus seinem Saxofon zu bringen, wie er sie im Kopf hat, auf der Stelle, ohne sie eingeübt zu haben. Freeman und andere Musiker in Chicago, die wenig bekannt sind, hätten auf sehr präzise Weise gespielt, und zwar spontan. Die meisten Musiker würden hingegen nicht eine Idee im Kopf hören und sie dann ausdrücken, sondern Licks24), Linien und Patterns25) spielen, die sie eingeübt haben.26)

Besonders fesselnd kann spontanes Spiel sein, wenn es ein wenig riskant ist und der Improvisator problematische Situationen, die sich überraschend ergeben, gewandt auflöst. Steve Coleman erläuterte zum Beispiel zu einer Live-Aufnahme Parkers: Sofort sei offensichtlich, dass Parker auf der Spitze seiner Spielfähigkeiten war, und er habe auf sehr lockere Weise Freiräume genutzt. An einer Stelle sei er offensichtlich beim Spielen der Melodie des Stückes ein wenig gestrauchelt, worauf er Mitten im Strom wie der Basketballmeister Michael Jordan reagierte und sein Straucheln in ein schönes melodisches Statement verwandelte, das er formvollendet in sein Solo integrierte.27)

Im Jahr 2014 nahm Coleman das Album Synovial Joints auf, das komplizierte Kompositionen für ein großes Ensemble enthält, und erklärte, dass er diese Kompositionen, wie auch bereits die seines vorhergehenden Albums Functional Arrhythmias (2012), gänzlich auf improvisatorische Weise erarbeitete, und zwar ohne jede nachträgliche Verbesserung der Improvisationen. Manche glaubten ihm das nicht, da die Kompositionen zu perfekt erschienen. Doch erklärte Coleman, dass diese Fähigkeit eben das Ergebnis einer viele Jahre langen Übung in möglichst präzisem spontanem Komponieren ist. Auch schon Musiker wie Charlie Parker hätten auf so präzise Weise gespielt, dass ihre Improvisationen nicht bloß wie Kompositionen, sondern tatsächlich Kompositionen sind. Darauf habe bereits Charles Mingus in Bezug auf Bud Powell und Parker hingewiesen. Wie Freeman arbeite er (Coleman) selbst vor allem daran, Ideen, die in seinem inneren Ohr auftauchen, exakt umzusetzen. Das sei wie sprechen. Parker, Freeman, all diese Musiker hätten gesagt, dass sie zu spielen versuchen, wie sie sprechen. Das hätten sie gemeint.28) – Im Album Morphogenesis (2017) führte Coleman seine Methode der spontanen Komposition in sehr verfeinerter Weise weiter und er erklärte, dass er bei dieser Methode der spontanen Gestaltung die Themen, Bewegungen oder Konzepte, die er kommunizieren möchte, visualisiere.29)

Echte spontane Komposition war zu Steve Colemans zentralem Anliegen geworden. Er erklärte: So großartig einige vorkomponierte Kompositionen in dieser Musikart auch sind, so lerne er doch am meisten von den spontanen Kompositionen, womit er die Improvisationen meine. Aber er meine nicht alle Improvisationen, sondern jene, die auf dem Niveau der spezifischen Komposition sind, und die seien in der Minderheit. Die Mehrheit der Improvisationen, die man hört, seien ein beliebiges Umherstreifen oder ein Meer aus ausgearbeiteten Mustern oder irgendeine Kombination aus beidem. Das entspreche dem Verständnis anderer Musiker und Hörer von dieser Musikart. Er glaube hingegen, dass das Herzstück dieser Musikart die echte spontane Komposition ist, und er gebe sein Bestes, um sich auf die Arbeit an diesem Aspekt zu konzentrieren. Er arbeite an diesem Aspekt mehr als an jedem anderen. Für ihn gehe es nicht um trickreiche Kompositionsformeln. Für ihn sei das wirklich eine spontane Musik. Duke Ellington habe gesagt, dass er die meisten seiner Ideen von den Solisten erhielt. – Echte spontane Komposition schließe kein Überarbeiten ein. Alles werde im Moment gemacht, nur einmal aufgeführt und selbst, wenn es niedergeschrieben wird, werde es nicht überarbeitet. Die meisten Musiker würden nicht im geistigen Ohr „hören“, was sie gleich spielen werden. Er wisse das aufgrund langjähriger Erfahrung. Die meisten Instrumentalisten würden hauptsächlich eine tastende Sache machen.30) Natürlich hätten auch Charlie Parker, Coltrane, Rollins wie jeder gute Spieler einiges gehabt, was sie ausgearbeitet hatten, eine Art musikalische Sprache. Diese Musiker hätten sogar ein riesiges Vokabular gehabt, aber auch sehr präzise spontane Ideen hören und sofort spielen können.31)

Anfang der 1980er Jahren spielte Coleman als junger Saxofonist in einer Bigband Cecil Taylors, die für eine Serie wöchentlicher Konzerte in einem New Yorker Jazz-Klub engagiert war. Die Proben für diese Auftritte dauerten extrem lange, denn Taylor legte den Bandmitgliedern keine Notenblätter vor, sondern spielte jedem einzelnen Musiker seinen Part auf dem Klavier vor, bis der Betreffende ihn mit seinem Gehör erfasst hatte.32) Coleman fand das zunächst skurril, war dann jedoch beeindruckt, wie sehr sich diese Methode im Konzert bewährte, und er nahm sich vor, sie später einmal als Bandleader selbst einzusetzen. Anfang der 1990er Jahre entwickelte er aus diesem Ansatz sein Konzept der „kollektiven Meditation“. Es bestand darin, dass er mit seiner Band in einem Konzert spontan eine Komposition aufbaute, indem er einem Bandkollegen nach dem anderen dessen jeweiligen Part vorspielte oder vorsang, bis der ihn mit dem Gehör erfasste und übernahm, sodass Part um Part hinzugefügt wurde und das neue Stück wuchs. Zum Teil verwendete Coleman dafür bereits zuvor ausgedachte rhythmisch-melodische Figuren, jedenfalls aber in neuer, spontan gewählter Kombination. In den 2000er Jahren begann er, ganze Konzerte33) in nicht vorbestimmter Weise zu entwickeln, wobei er großteils bewährte Bauteile aus früheren Kompositionen verwendete.34)

 

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Fußnoten können direkt im Artikel angeklickt werden.

  1. Mehr dazu im Artikel Struktur: Link
  2. Dizzy Gillespie: Charlie Parker sei rhythmisch weit fortgeschritten gewesen, beim Bilden der Phrase und wie man von einer Note zur nächsten gelangt. Wie man von einer Note zur nächsten gelangt, mache echt den Unterschied aus. Parker habe Rhythmen und rhythmische Muster anders gehört als er und nachdem sie miteinander zu spielen begannen, habe er angefangen, rhythmisch mehr wie Parker zu spielen. In dieser Hinsicht habe Parker sie alle beeinflusst. (QUELLE: Dizzy Gillespie/Al Fraser, To Be, or Not … to Bop, 2009/1979, S. 177, eigene Übersetzung)
  3. Steve Coleman: 1.) Was er und seine Bandmitglieder machen, nenne er spontane Komposition, nicht Improvisation, denn Improvisation lege nahe, dass es völlig unvorbereitet, fast zufällig ist. Aber das sei es nicht. Sie würden rhythmischen, harmonischen und melodischen Pfaden entlang gehen, die bereits angelegt und bewährt sind. Diese Pfade würden einem viele Wahlmöglichkeiten bieten und wenn man sie klar sehen kann, dann könne man entscheiden, in welche Richtung man geht. Es sei wie die Verwendung von Worten, die man schon lange verwendet, um etwas noch nie Gesagtes zu sagen. Was man sagt, hänge davon ab, wie man sich im Moment fühlt, und von vielen Gedanken, die auftauchen. Man treffe spontan Entscheidungen. Aber es gebe Vorbereitung. Wenn man auf diese Weise spielt, könne man sich sogar selbst überraschen, selbst wenn einem das Material so vertraut ist wie das Instrument. Was man dabei tut, sei nicht wirklich „denken“. Es schließe Gefühle, Stimmungen und andere Sachen ein, die man internalisiert hat. Er übe Dinge zu machen, die er noch nie gemacht hat, und versuche, das auch im Konzert zu tun, etwas zu riskieren. Er mache das immer wieder und nach einiger Zeit werde es zur zweiten Natur. (QUELLE: Howard Mandel, Steve Coleman, Oktober 2014, Zeitschrift Wire, März 2015, Nummer 373, S. 43) – 2.) Es gebe in seiner Musik stets eine gewisse Improvisation. Aber es gebe auch eine gewisse Präparation. In seiner Band sei es wichtig, dass man den Pfad kennt. Sie würden mit dem gesamten Spektrum der Musik arbeiten, mit dem Rhythmus genauso wie mit der Harmonie und der Melodie – diese Art Gleichwertigkeit der Elemente. Somit müsse jedes Mitglied der Band die gesamte Struktur kennen. Obwohl das, was sie machen, frei ist, habe es sehr wohl eine Struktur. Am besten könne er es durch eine Analogie zur Sprache erklären: Englisch habe eine bestimmte Struktur, Deutsch habe eine bestimmte Struktur, Japanisch habe eine bestimmte Struktur. Wenn man in dieser Struktur spricht, werde man besser verstanden. Wenn er in Deutsch schlecht ist und nicht gut im Rhythmus, in der Struktur, der Syntax der Sprache spricht, dann werde das verwirrend sein. Wenn jemand Schwierigkeiten mit einer neuen Sprache, den Wörtern und so weiter hat, dann höre man das. Genauso sei es bei der Musik: Jede Gruppe habe eine Art musikalische Sprache, eine Syntax. Jemand könne irgendwelche komischen Sachen spielen, sodass jeder sagt: „Oh nein, das ist nicht ganz richtig.“ Es habe mehr mit Struktur und Syntax zu tun als mit einer spezifischen Komposition. Aber die Kompositionen gehen aus der Sprache hervor. Es gehe mehr um die musikalische Sprache. Das sei die beste Antwort, die er geben könne. Es gebe da eine bestimmte Struktur der musikalischen Sprache, die die Leute lernen müssen, und das brauche Zeit. Es sei nicht so, dass sie einfach einen Song kennen müssen, um ihn zu spielen. Das funktioniere nicht so. Bei der Improvisation sei es genauso. Die Improvisation beruhe ebenfalls auf dieser Syntax, dieser Sprache. So sei also alles Sprache. – Zum Beispiel, wie er gerade mit dem Interviewer spricht: Er improvisiere. Was er gerade sagt, habe er noch nie exakt in dieser Weise zu jemandem gesagt. Es sei also das erste Mal. Aber er habe all die Worte, die er sagt, schon zuvor verwendet, auch einige der Phrasen habe er bereits zuvor verwendet. In dieser speziellen Kombination sei es jedoch das erste Mal. Denn der Interviewer stellte ihm eine Frage und die sei ein wenig anders, als andere Personen fragen. Es sei ein neuer Tag, man fühle sich anders und so weiter. Bei der Musik sei es genauso: Man habe gewisse Phrasen, die man in der Band gemeinsam kennt, gewisse musikalische Worte, die man gemeinsam kennt, und all das. Aber jeden Tag würden sie es ein wenig anders sagen. Man müsse die Sprache kennen, denn man habe eine Idee und verwende dann die Sprache wie ein Vehikel, um die Idee von sich zu anderen zu bringen. Bei der Musik sei es fast genauso. Er versuche, es mit der Musik auf dieselbe Art zu machen. Es sei für ihn wirklich eine linguistische Sache. (QUELLE: Interview mit Steve Coleman am 25. September 2010 in Viersen, Deutschland, Video auf der Internetseite des TV-Senders WDR, Internet-Adresse: http://origin.wdr.de/tv/westart/jazz/extra/backstage/backstage_mit_steve_coleman.jsp)
  4. Siehe zum Beispiel zur Spielweise von Lee Konitz im Artikel Tristano-Schule: Link
  5. Steve Coleman bezog die folgende Aussage primär auf Spitzenboxer, aber auch auf Musiker.
  6. Musiker oder Boxer
  7. QUELLE: Steve Coleman, The Sweet Science: Floyd Mayweather and Improvised Modalities of Rhythm, 2003, Steve Colemans Internetseite, Internet-Adresse: http://m-base.com/essays/the-sweet-science/, betreffende Stelle in eigener Übersetzung: Link
  8. Mehr zum Fließen-Lassen im Artikel Flow: Link
  9. die Bedeutung der Töne betreffenden
  10. musiktechnischen
  11. QUELLE: Steve Coleman, The Dozens: Steve Coleman on Charlie Parker, 2009, Steve Colemans Internetseite, Internet-Adresse: http://m-base.com/the-dozens-steve-coleman-on-charlie-parker/, betreffende Stelle in eigener Übersetzung: Link
  12. Quelle und mehr dazu im Artikel Steve Colemans tonale Strukturen: Link
  13. QUELLE: von Nate Chinen geführtes Interview mit Steve Coleman, Februar 1999, Steve Colemans Internetseite m-base.com, Internet-Adresse: http://www.m-base.com/int_chenin.html, betreffende Stelle in eigener Übersetzung: Link
  14. QUELLE: Steve Coleman, The "Nexus" of a Musical Language and Jazz, 2007, Internetseite The M-BASE blog, Internet-Adresse: https://mbase.wordpress.com/2007/08/04/the-nexus-of-a-musical-language-and-jazz/, betreffende Stelle in eigener Übersetzung: Link
  15. QUELLE: Steve Colemans Internetseite M-Base Ways, Interviews and Information/Interviews about the Music/Steve Coleman Interviews Sean Rickman, Video ab 1:02:00 Stunden/Minuten/Sekunden, veröffentlicht 2014, Internet-Adresse: http://m-base.net
  16. Näheres im Artikel Steve Coleman über traditionelles Material: Link
  17. Näheres im Artikel M-Base: Link
  18. Quelle und mehr dazu im Artikel Steve Colemans tonale Strukturen: Link
  19. QUELLE: Don DeMicheal, John Coltrane and Eric Dolphy Answer the Jazz Critics, Zeitschrift Down Beat, 12. April 1962, wiedergegeben in: Chris DeVito [Hrsg.], Coltrane on Coltrane, 2010, S. 151
  20. QUELLE: Interview aus 2006 in: Christian Broecking, Sonny Rollins. Improvisation und Protest, 2010, S. 99
  21. QUELLE: Ekkehard Jost, Jazzmusiker, 1982, S. 218
  22. QUELLE: Ekkehard Jost, Jazzmusiker, 1982, S. 219f.
  23. Mehr dazu im Artikel Unsichtbare Formen: Link
  24. eingeübte Phrasen
  25. Muster
  26. QUELLEN: 1.) Aussagen von Steve Coleman in einem Workshop im April 2004, betreffende Stelle in eigener Übersetzung: Link SteveColeman/text_I11.html Anker bei „Was man also zu tun hat, ist, zu üben“; 2.) von einem Vertreter des Kulturzentrums The Jazz Gallery im März 2015 geführtes Interview mit Steve Coleman, Steve Coleman Speaks, Internetseite der Jazz Gallery, Internet-Adresse: http://www.jazzspeaks.org/steve-coleman-speaks/
  27. QUELLE: Steve Coleman, The Dozens: Steve Coleman on Charlie Parker, 2009, Steve Colemans Internetseite m-base.com, Internet-Adresse: http://m-base.com/the-dozens-steve-coleman-on-charlie-parker/, betreffende Stelle in eigener Übersetzung: Link
  28. Steve Coleman: 1.) Sein Album Synovial Joints (2014) sei wie sein vorhergehendes (Functional Arrhythmias, 2012) spontan komponiert. Das bedeute, dass die Kompositionen alle im Grunde aus Soli bestehen, die orchestriert wurden. Selbst die Orchestrierung sein spontan gewesen. Mit „spontan“ meine er, dass er spielte oder sang, während ein Recorder lief. Für sein Album Synovial Joints habe er die Aufnahmen transkribiert, denn es spielten in diesem Album viele Musiker mit, die keine Improvisatoren sind, sondern so genannte „klassischen“ Musiker. Was er für sie transkribierte (oder von jemandem transkribieren ließ), sei ursprünglich spontan entstanden. Manche hätten das nicht geglaubt. Doch könne er das, weil er eben lange Zeit darauf hinarbeitete. – Er spiele also, nehme es auf und transkribiere es. Er ändere daran absolut nichts, sondern transkribiere es genau, wie er es spielte. Wenn er möchte, dass die Komposition besser wird, müsse er somit im spontanen Komponieren besser werden. Verbesserung gebe es nicht durch Bearbeitung, also durch einen späteren Prozess, sondern nur im ursprünglichen Prozess. Daran arbeite er die meiste Zeit, neben Dingen, die dazu hinführen, Dingen auf seinem Instrument. Er habe daran stets mehr als an sonst etwas gearbeitet, denn das sei das Schwierigste: mit sich selbst in Verbindung zu sein. Man müsse sein inneres Ohr und seinen geistigen Bezug bilden und dann gebe es auch das Instrument und die technischen Schwierigkeiten. In der Band habe er Musiker, die auf das in irgendeiner Weise antworten beziehungsweise selbst erfinden können und locker sind. Das sei schwer zu finden. (QUELLE: von einem Vertreter des Kulturzentrums The Jazz Gallery im März 2015 geführtes Interview mit Steve Coleman, Steve Coleman Speaks, Internetseite der Jazz Gallery, Internet-Adresse: http://www.jazzspeaks.org/steve-coleman-speaks/) – 2.) Die Alben Functional Arrhythmias und Synovial Joints bestünden gänzlich aus Improvisation. Er habe improvisiert und seine Improvisationen transkribiert. Bei Kompositionen, die aus mehreren Parts bestehen, habe er das mehrere Male gemacht. Das sei kein neues Verfahren. Bis zurück zu Johann Sebastian Bach hätten Leute so etwas gemacht. Duke Ellington und viele andere hätten es gemacht. Manche würden ihm jedoch nicht glauben, dass die Kompositionen des Albums Synovial Joints aus Improvisationen bestehen. Als Grund sei genannt worden, dass sie zu präzise sind. Doch sei die Präzision genau das, was er über all die Jahre übte, im Grunde seit seiner Jugendzeit. Genau das hätten auch Charlie Parker und all diese Musiker getan. Ihre Improvisationen seien sehr präzise. Sie seien nicht bloß wie Kompositionen, sondern tatsächlich Kompositionen. Darauf habe Charles Mingus in Bezug auf Bud Powell und Charlie Parker hingewiesen, und zwar im Begleittext eines seiner Alben. Von Freeman habe ihm gesagt, dass es sein Ziel ist, eine Idee, die er in seinem Kopf hört und noch nie gespielt hat, auf Anhieb genau so zu spielen, wie er sie spielen möchte, ohne sie zu üben. Das habe er (Coleman) immer angestrebt und tue es nach wie vor. Es sei die Hauptsache seiner Bemühungen; eine Idee im Kopf zu hören und genau die Idee zu spielen. – Viele Musiker würden das können. Er habe es in seinen Lehrjahren selbst beobachtet. Er habe gesehen, wie Thad Jones im Bus ohne Instrument Kompositionen in sein Notizbuch schrieb, als würde er einen Brief schreiben, und sie hätten sich als perfekt erwiesen. Jones habe vielleicht eine Note daran geändert. Sam Rivers und Cecil Taylor habe er dasselbe tun gesehen und er selbst habe immer darauf hin geübt. Es sei wie sprechen. Charlie Parker, Von Freeman, all diese Musiker sagten, sie versuchten zu spielen, wie sie sprechen. Das hätten sie gemeint. (QUELLE: von Geof Bradfield geführtes Interview mit Steve Coleman, Jazz iconoclast Steve Coleman on the ancient bedrock of human creativity, Internetseite der Zeitschrift Chicago Reader, 4. August 2015, Internet-Adresse: http://www.chicagoreader.com/chicago/steve-coleman-interview-m-base-five-elements-synovial-geof-bradfield/Content?oid=18504926) – 3.) Von Freeman habe ihm gesagt, er versuche so zu spielen, wie er spricht. (QUELLE: Radhika Philip, Being Here, 2013, S. 265) – 4.) Steve Coleman über das Zusammenspiel von Charlie Parker („Bird“) und Max Roach: Er habe diese Sachen schon in jungen Jahren gehört. „Obwohl sie improvisierten, hörte ich, dass es Komposition war. Es war für mich wie eine fixierte verdammte Sache, aber sie improvisierten. Es klang jedoch so fixiert. Es war, als könnte Max vorhersehen, was Bird macht, und Bird könnte vorhersehen, was Max macht, und es war, als schufen sie so miteinander diese Komposition. (QUELLE: Ronan Guilfoyle, Steve Coleman on Rhythm – Part 1, 2013/2011, Internet-Adresse: http://ronanguil.blogspot.co.at/2013/03/steve-coleman-on-rhythm-part-1.html, betreffende Stelle in eigener Übersetzung: Link
  29. QUELLE: Begleittext des Albums – Steve Coleman zu seinem Album Morphogenesis (2017): Alles, was er macht, habe mit spontaner Komposition zu tun. Selbst die Kompositionen der Stücke habe er ursprünglich improvisiert. (QUELLE: Michael J. West, Steve Coleman Doesn’t Improvise, He Spontaneously Composes, 27. Juni 2017, Internet-Adresse: https://daily.bandcamp.com/2017/06/27/steve-coleman-interview/)
  30. QUELLE: Beitrag Steve Colemans vom 1. Juni 2018 auf seiner Facebook-Seite und Kommentar dazu, Internet-Adresse: https://www.facebook.com/mbaseconcept
  31. Steve Coleman: Charlie Parker, Coltrane, Rollins, jeder gute Spieler habe einiges, das er ausgearbeitet hat. Er nenne das Sprache und manche hätten ein großes Vokabular, andere ein kleineres. Coltrane sei offensichtlich einer jener Musiker gewesen, die ein großes Vokabular haben. Art Tatum sei ein weiterer von ihnen gewesen. Aber jeder dieser Musiker habe auch sehr präzise spontane Dinge hören und im Flug „sagen“, das heiße spielen, können. Von Freeman habe das „aus der Spitze seines Kopfes spielen“ [playin' off the top of your head] genannt. Damit habe er gemeint, dass er etwas in seinem Kopf hört, das er noch nie zuvor gespielt hat, und es sofort spielt, zum ersten Mal, genau so, wie er es hört, ohne zu üben oder es auszuarbeiten. Obwohl Coltrane, Parker, Rollins und so weiter in verschiedenen Stadien ihrer Laufbahn ein riesiges Vokabular hatten, hätten sie nach seinem Eindruck genau dieses Aus-dem-Kopf-Spielen gekonnt und auch sich selbst ausdrücken können, indem sie ihr Vokabular in sehr kreativer Weise einsetzten. – Er vergleiche die spontane Komposition gerne mit dem Sprechen. Wir alle hätten Wörter, Phrasen und manchmal ganze Sätze internalisiert, das heiße ausgearbeitet, eingeübt und so weiter. Die Syntax, die wir in Alltagsgesprächen verwenden, die Art, wie wir Dinge sagen, und die Worte, die wir verwenden, würden uns helfen, einander zu identifizieren. Deshalb sei gute Nachahmung komisch, denn gute Imitatoren könnten diese Nuancen, den Ton, die Angewohnheiten und andere Aspekte des Stils einer Person einfangen, sodass wir die Person erkennen, die imitiert wird. Wenn ein Musiker einen anderen kopiert oder nachahmt, wüsste man aus denselben Gründen, wer kopiert wird beziehungsweise auf wen Bezug genommen wird – wegen des Vokabulars, der Syntax, dem Stil, den Angewohnheiten, dem Ton und so weiter. Aber man kenne auch Leute, die dadurch herausragen, dass sie sehr kreativ sprechen, wirklich kreative Analogien verwenden, spontan Ausdrücke erfinden. Diese Leute hätten ebenfalls ein Vokabular, eine Syntax und so weiter, aber in bestimmten Momenten könnten sie uns durch ihre kreative Verwendung ihres Vokabulars und sogar mit spontan neu erschaffenen Vokabeln überraschen. Wenn sie einen Vortrag halten, müssen sie ihn nicht zuerst aufschreiben. Großartige Redner und wirklich kreative Prediger könnten das. Es gebe in seinem Ensemble derzeit einen Musiker namens Kokayi (Ceasar Walker), der genau diese Verwendung von Worten beherrsche, sowohl auf der Bühne als auch im Alltagsgespräch. Aber man kenne auch sehr unkreative Leute, die ständig dasselbe sagen. (QUELLE: zwei weitere Kommentare Steve Colemans zu seinem zuvor genannten Beitrag vom 1. Juni 2018 auf seiner Facebook-Seite, Internet-Adresse: https://www.facebook.com/mbaseconcept)
  32. QUELLEN: 1.) von einem Vertreter des Kulturzentrums The Jazz Gallery im März 2015 geführtes Interview mit Steve Coleman, Steve Coleman Speaks, Internetseite der Jazz Gallery, Internet-Adresse: http://www.jazzspeaks.org/steve-coleman-speaks/; 2.) Michael J. West, “All at Full Fullness”: Remembering Cecil Taylor. Steve Coleman, Vijay Iyer, Jason Moran, Matthew Shipp and Wadada Leo Smith pay tribute to an avant-jazz icon, 14. April 2018, Internetseite der Jazz-Zeitschrift JazzTimes, Internet-Adresse: https://jazztimes.com/features/remembering-cecil-taylor/; 3.) Steve Colemans Internetseite M-Base Ways, Blog/M-Blog Episode 12: Sounding Like Yourself, Audio 1 im Abschnitt 14:03 bis 17:33 Minuten/Sekunden, veröffentlicht 2014/2015, Internet-Adresse: http://m-base.net
  33. vor allem die Konzerte mit seiner Five-Elements-Band und dem Reflex-Trio
  34. QUELLE: von einem Vertreter des Kulturzentrums The Jazz Gallery im März 2015 geführtes Interview mit Steve Coleman, Steve Coleman Speaks, Internetseite der Jazz Gallery, Internet-Adresse: http://www.jazzspeaks.org/steve-coleman-speaks/ – Steve Colemans „kollektive Meditationen“ wurden erstmals in seinem Album The Tao of Mad Phat (Mai 1993), besonders in dessen Stück Laid Back Schematics, festgehalten. Näheres im Artikel M-Base: Link

 

 

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